Bakterien, Säure und Kultur - Was einen Joghurt ausmacht
Diesen Bereich überspringenLinksdrehend, rechtsdrehend, probiotisch, prebiotisch, Lactobacillus acidophilus, Bifidusbakterien und und und... mal ehrlich wer blickt da noch durch? Eigentlich wollten wir doch nur Joghurt essen. Doch das ist heutzutage gar nicht mehr so einfach, glaubt man der Werbung, so ist das persönliche Wohlbefinden eng verbunden mit der Wahl des richtigen Joghurts.
Nachfolgend gibt's daher ein wenig genauere Informationen darüber, wie das so ist, mit Keimen, Bakterien und Kulturen. Worauf es ankommt und was weniger wichtig ist. Vielleicht kommen wir dabei auch gleich der Frage ein wenig näher, ob es da wirklich so himmelweite Unterschiede gibt.
Basiswissen Joghurt ist ein Sauermilchprodukt, was bedeutet, dass der Milchzucker in der Milch durch die Anreicherung mit Bakterienkulturen zu Milchsäure vergoren wird, wodurch sie gerinnt und dickflüssig wird. Die Milchsäure wirkt gleichzeitig konservierend.
Für den Geschmack eines Naturjoghurts ist die Art der verwendeten Bakterien verantwortlich. In der Regel entsteht Joghurt durch die Zugabe der Bakterienstämme Streptococcus thermophilus und Lactobacillus delbrueckii subsp.bulgaricus. Da letzterer einen sehr hohen Milchsäureanteil produziert, führt er zu einem sehr sauren Joghurt. Molkereien verwenden aus diesem Grund stattdessen häufig die Bakterienstämme Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium bifidum. Der daraus entstehende Joghurt ist milder im Geschmack und wird im Handel als "Joghurt mild" gekennzeichnet.
Inhaltsstoffe Joghurt enthält, bis auf den Milchzucker, alle Stoffe, die auch in Milch enthalten sind. Hervorzuheben sind hochwertiges Eiweiß und ein hoher Kalzium-Gehalt.
Zum Vergleich:
- 100 g Vollmilchjoghurt mit 3,5 % Fett enthalten ca. 61 kcal, bzw. 254 kJ.
- 100 g fettarmer Joghurt mit 1,5 % Fett enthalten ca. 44 kcal, bzw. 182 kJ.
- 100 g. Magermilchjoghurt mit 0,3 % Fett hat ca. 37 kcal, bzw. 154 kJ.
- 100 g Erdbeerjoghurt mit 3,8 % Fett enthalten ca. 94.9 kcal, bzw. 397,3 kJ.
Links herum / rechts herum Durch die Umwandlung von Laktose in Milchsäure durch Milchsäurebakterien entstehen links- und rechtsdrehende Milchsäuren. Letztere kommen auch im menschlichen Körper vor und sind ernährungsphysiologisch vorteilhafter, da sie vom Organismus leichter aufgenommen werden. Sie helfen bei der Energiegewinnung im Stoffwechsel und schützen die Darmschleimhaut. Linksdrehende Milchsäuren sind beispielsweise für Säuglinge ungeeignet, da ihr Organismus sie noch nicht verarbeiten kann.
Von rechts- bzw. linksdrehend spricht man aufgrund einer physikalischen Eigenschaft der Milchsäure. Durchdringt polarisiertes Licht die Milchsäure, wird der Lichtstrahl entweder nach links oder nach rechts abgelenkt. Rechtsdrehende Milchsäuren werden als L-plus-Laktat und linksdrehende als D-minus-Laktat bezeichnet. Welche Milchsäure aus der Laktose entsteht, hängt von den beteiligten Bakterienstämmen ab. Die Bakterien des für den "Joghurt mild" verwendeten Lactobacillus acidophilus produzieren meist größere Mengen rechtsdrehender Milchsäure.
Pro- und prebiotische Milchprodukte Der Darm ist von einer Vielzahl von Bakterien besiedelt, von denen die einen physiologisch gut und die anderen für die Gesundheit nicht so günstig sind, da sie unter anderem die Fäulnisprozesse im Darm unterstützen. Was zwar notwendig ist, im Falle eines Ungleichgewichts zwischen den "guten" und den "schlechten" jedoch auch schon mal zu Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall führen kann. Pro- und Prebiotika sollen dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu verhindern indem sie die "guten" Bakterien unterstützen und stärken.
probiotische Stämme dieser Bakterien gezüchtet, die diese Bedingungen in großer Anzahl überleben sollen.
Milchsäurebakterien (Lactobacillales) sind vor allem für ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften bekannt. Sie kommen nicht nur im Joghurt vor, sondern auch in allen anderen milchsauer vergorenen Lebensmitteln. Dazu gehören beispielsweise auch Dickmilch und Sauerkraut. Da im Magen die Magensäure und später im Darm die Gallensalze Mikroorganismen teilweise abtöten, werden spezielle
Die vielfältigen Wirkungen der Probiotika (vom griechischen pro bios = für das Leben) sind teilweise umstritten. Vermutet wird, dass die Bakterien einen Biofilm auf der Darmschleimhaut bilden, der verhindert, dass krankmachende Bakterien und Gifte sich dort ansiedeln und aufgenommen werden.
Verschiedene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Probiotika, bei regelmäßigem Verzehr, Dauer und Intensität von Durchfallerkrankungen reduzieren. Probiotische Medikamente wurden beispielsweise bereits in den 60er Jahren verwendet, um die häufig durch Einnahme von Antibiotika beeinträchtigte Darmflora wieder aufzubauen.
Positiv ist, dass probiotische Joghurts, wie andere Joghurts auch, oftmals auch bei Laktoseintoleranz verzehrt werden können, da es sich um Sauermilchprodukte handelt und der Laktoseanteil sehr gering ist. In einzelnen Studien konnte eine verbesserte Laktose-Verdauung durch bestimmte Bakterienstämme gezeigt werden. Darüber hinaus setzen die probiotischen Keime im Darm das Laktose spaltende Enzym Laktase frei und fördern damit die Laktoseverwertung.
Für den oftmals versprochenen, positiven Effekt auf das Immunsystem gibt es bislang allerdings keine ausreichenden Belege. Generell gilt, dass für eine Wirksamkeit der Probiotika ein regelmäßiger Verzehr von immer den selben Bakterienstämmen, also den Produkten von immer dem selben Hersteller, notwendig ist, da die Keime im Darm lediglich eine kurze Verweildauer haben und sie schnell durch andere Bakterien verdrängt werden.
Prebiotika (auch Präbiotika) haben ebenfalls den Zweck, zur Vermehrung der im Darm lebenden Milchsäurebakterien beizutragen. Meist sind es Kohlenhydrate, die nicht im Dünndarm verdaut werden und die daher nahezu unverändert in den Dickdarm weiterwandern, wo sie den "guten" Darmbakterien als Nahrung dienen. Zu den Prebiotika zählen deswegen Ballaststoffe und Oligosaccharide. Fruktooligosaccharide und Inulin, die in pflanzlichen Lebensmitteln wie Chicorée, Spargel, Zwiebeln und Getreide vorkommen, werden häufig bei angereicherten Lebensmitteln eingesetzt und besonders beworben.
Die Wirkweise entspricht im Wesentlichen der der Probiotika: durch die freigesetzten Säuren entsteht ein lebensfeindliches Milieu für krankmachende Bakterien. Daher wird den Prebiotika unter anderem eine stärkende Wirkung für das Immunsystem nachgesagt.
Der größte Unterschied in der Wirkungsweise von Pro- und Prebiotika besteht darin, dass Probiotika ihre Wirkung hauptsächlich im Dünndarm entfalten, Prebiotika dagegen im Dickdarm.
Das Problem mit der Gutgläubigkeit Pro- und Prebiotika sind in Deutschland wahre Kassenschlager. Einmal im Job, bewegen wir uns häufig immer weniger und ernähren uns weniger ausgewogen. Verdauungsprobleme sind daher etwas, womit nahezu jeder Erwachsene hin und wieder mal zu kämpfen hat. Wenn man dagegen nichts weiter tun muss, als 14 Tage lang einen Joghurt pro Tag zu essen, ist das ein recht überschaubares Opfer. Wer es probiert, wird in der Regel feststellen, dass sich eine gewisse Wirkung einstellt. Das liegt jedoch erwiesenermaßen nicht an den teuren Probiotika.
teilweise, denn auch die Milchsäurebakterien in einem ganz normalen Joghurt überleben teilweise die Wanderung durch die Magensäure und können so ihre Wirkung im Darm freisetzen. Entscheidend ist, dass man den Joghurt erstens regelmäßig verzehrt, und man zum zweiten darauf achtet, ein Produkt zu sich zunehmen, dem keine Unmengen an Zucker beigesetzt wurden. Dieser füttert nämlich die "bösen" Darmbakterien und kann bei entsprechender Menge, die Wirkung der Milchsäure ausgleichen.
Viele Hersteller berufen sich auf Studien, die belegen sollen, dass sie erstens eigens Bakterien gezüchtet haben, und diese daher zweitens besonders wirksam und daher besonders heilsbringend sind. Verheimlicht wird dabei, dass diese Studien in der Regel nicht unabhängig sind, sie vielmehr von den Herstellern initiiert und finanziert wurden, sie sind also nicht frei von wirtschaftlichen Interessen. Hinzu kommt, dass die Teilnehmerzahl an solchen Studien häufig zu gering ist, um tatsächlich statistisch aussagekräftig zu sein - sprich: es fehlt die Repräsentativität der Studie.
Nach geltendem Recht sind Milchsäurebakterien übrigens technische Hilfsstoffe (PDF), weshalb sie auf den Produkten nicht gekennzeichnet werden müssen.
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